Kinderbuch-Autorinnen unterwegs

Die durchschnittliche Kinderbuch-Autorin ist eher unauffällig, sitzt Tag und Nacht an ihrem Computer und schreibt Geschichten, ohne die Welt um sich herum wahrzunehmen. Das alles ändert sich, wenn sich die Autorin auf den Weg zum nächsten Kindergarten oder zu einer Grundschule macht, um dort Geschichten vorzulesen. Lesungen für Kinder unterscheiden sich nämlich in vielerlei Hinsicht von den Veranstaltungen, bei denen Erwachsene schweigend und konzentriert hochliterarischen Texten lauschen.

„Ach, Sie gehen Gassi?“ witzelt der Mann, der neben mir aus seinem Wagen steigt, und deutet mit dem Kopf auf den riesigen Stoffhund, den ich aus meinem Auto zerre.

„Ich gehe vorlesen“, antworte ich wahrheitsgemäß. Meine Erklärung stößt auf Unverständnis. Wenn er erst wüßte, daß in meiner großen roten Tasche noch viel mehr Stofftiere, Handpuppen und ein einzelner Stein zu finden sind, würde er mich wohl noch zweifelnder ansehen.

Vor dem Kindergarten treffe ich mich mit meiner Kollegin Vera Klee. Sie hat alle Utensilien in einem unauffälligen Rucksack verstaut – bis auf die kleinen Schnecken, die sie morgens in ihrem Vorgarten gesammelt hat und nun in einem durchsichtigen Gefäß in der Hand hält. Ich möchte nicht wissen, was die anderen Fahrgäste im Bus bei diesem Anblick gedacht haben.

Nachdem wir uns in einem Raum des Kindergartens eine gemütliche Lese-Ecke eingerichtet haben, kommt die erste Gruppe Kinder hinein. Wenn wir zum ersten Mal in einem Kindergarten lesen, sind die Kinder manchmal anfangs noch scheu und hören ganz ruhig zu. Aber das ändert sich spätestens bei der zweiten Geschichte.

„Ich habe auch einen Hund“, unterbricht ein Mädchen die Story von dem Hund, der nicht bellen konnte.

„Ich auch!“ ruft ein Junge. „Der heißt Hasso und ist schon tot!“

„Meine Katze ist auch tot!“ wirft ein anderer Junge ein.

„Mein Vogel ist nicht tot“, höre ich ein Mädchen leise sagen. „Und er heißt auch nicht Hasso.“

Aber am Ende wollen doch alle hören, was aus dem Hund wurde, der nur quietschen konnte.

Oft suchen sich die Kinder anhand der mitgebrachten Stofftiere selbst die nächste Geschichte aus oder wünschen sich andere Tiere, zu denen wir bis zum nächsten Mal Texte schreiben sollen.

Zum Schluß kommt die Geschichte mit den Schnecken – und im Anschluß dürfen die Kinder eine echte Schnecke auf ihre Hand nehmen. Manche wollen die Tiere nicht anfassen, aber die meisten betrachten fasziniert, wie sich die Fühler und schließlich die Köpfe der Schnecken aus dem Gehäuse schieben und die Tiere über ihre Hände kriechen. Und schauen wollen alle mal.

Nach einer guten Stunde verabschieden wir uns. Auf dem Rückweg zum Wagen fällt mir wieder auf, wie irritiert manche Passanten den großen Stoffhund unter meinem Arm betrachten. Vielleicht sollte ich mir ein Schild umhängen „Ich bin Kinderbuch-Autorin. Wundern Sie sich über nichts“. Aber ich fürchte, das würde auch nicht helfen.

 

Interesse an einer Lesung? Gerne kommen wir zu Schulfesten, Lesenächten oder anderen Veranstaltungen für Kinder.

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